Die Angst der Winzer
Frankreichs Winzer sehen rot. Im weltweit größten Weinherstellerland ist eines der nationalen Heiligtümer in Gefahr. Die USA wollen bei der EU-Kommission durchsetzen, künftig die französischen Bezeichnungen „Château“ und „Clos“ für ihre Export-Weine verwenden zu dürfen. Schon hat die Regierung in Paris klargemacht, dass sie eine solche Regelung niemals akzeptieren wird. Für Frankreich käme dies einem Angriff auf das Nationalerbe gleich und würde das Land um einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bringen. Vor allem in den renommierten Anbaugebieten Burgund und Bordeaux läuten die Alarmglocken.
„Château Mauton-Rothschild“, „Château Latour“, „Château Lafitte“ – es sind diese sagenumwobenen Namen, die die Weine der Region Bordeaux weltweit berühmt gemacht haben. Mehr als 6 000 verschiedene “ Châteaux“ gibt es in Bordeaux. Doch bedeutet „château“ übersetzt nicht nur Schlossgut, sondern steht für die Qualitätsbezeichnung „Appellation d’origine controlëe(AOC)“. Und die ist in Frankreich strengsten Regeln untergeben. „Die Bezeichnung besagt und garantiert, dass der Wein zu 100 Prozent aus Trauben stammt, die auf dem Schlossgut geerntet und gekeltert wurden“, erklärt Edouard Mialihe, Direktor des exquisiten „Château Soran“ im edlen Margaux-Gebiet. In den USA dagegen ist die Bezeichnung weder geschützt noch geregelte. Ein Weingut kann sich also auch dann Château nennen. wenn es die Trauben von anderen Winzern, ja sogar verschiedenen Regionen bezieht.
Dürften diese Weine in die EU eingeführt werden, würde der Markt mit Weinen überschwemmt, die sich „Château California“, und später „Château Australia“ oder gar „Château China“ nennen, fürchtet Miailhe. „Die Winzer des Bordelais verlören nicht nur einen Teil ihres Kulturerbes. Der Verbraucher würde zudem getäuscht“. Ähnliche Sorgen treiben die Hersteller der edlen Burgunderweine um. Dort verleiht das Wörtchen „dos“ eine wahre burgundische Identität. Um sich „dos“ nennen zu dürfen. müssen die Trauben ausschließlich auf einem eingefriedeten und durch Mauern oder Hecken abgegrenzten Weinberg geerntet worden sein, betont der Weinbauverband CAVB. Für die Winzer im Bordeaux und Burgund geht es indes um mehr, als nur um Geld und Wettbewerbsvorteile. „lm Bordelais benutzen wir das Wort Château seit Mitte des 19. Jahrhunderts“, sagt Goaster, Direktor des Verbandes „Fëdëration des Grande Vhs de Bordeaux“ mit Blick auf die von Napoleon im Jahr 1855 durchgeführte Klassifizierung der Mëdoc-Weine. Der Begriff gehört zu DANN, steht für Wein aus Frankreich. „Er ist Teil unseres historischen Erbes, nicht nur ein Marketing-Begriff. Und wir sind entschlossen, dafür zu kämpfen“. Kämpferisch gibt sich auch Frankreichs Landwirtschaftsminister Stéphane Le Roll. Er hat bei seinen Amtskollegen in Brüssel zumindest einen Aufschub durchsetzen können. Nun wird weiter diskutiert. Doch Frankreich steht bisher allein da.